20131009

Was macht den Japaner zum Japaner?

Wahnsinn, seit fast 4 Wochen bin ich hier. Meine Vorbereitungen auf Japan bestanden ja  hauptsächlich aus ein wenig Sprachunterricht, Detektiv Conan mit deutschen Untertiteln  und lustigen Büchern, die den Japaner beschreiben. Nun habe ich ich mich ein wenig eingelebt, und in der Zeit konnte ich selbst einige Eigenschaften des Homo Japanus ausmachen und bestätigen.

Von den fehlenden Fremdsprachkenntnissen habe ich ja bereits berichtet. Ehrlich gesagt finde ich es ja fast schon traurig, dass hier auch die jungen Leute sehr selten Englisch sprechen, obwohl sie es ja anscheinend gelernt haben sollten. Dafür finde ich es umso lustiger, einigen interessierten Studenten hier nebenjobmäßig Deutsch beizubringen. Ich habe erst die erste Stunde hinter mir und bin mir nicht sicher, ob sie mir und meinem deutschen Kollegen hinterhergekommen sind, da wir zwar versucht haben, ihnen den Inhalt auf Japanisch zu erklären, aber jedes Mal, wenn wir mit unserem Japanisch am Ende waren, auf unseren englischen Wortschatz zurückgriffen, also ziemlich schnell ... ^^ Mir persönlich fällt es aber inzwischen zum Glück leichter, bei einem japanischen Redeschwall die Intention zu verstehen.


Nächstes, besonders wichtiges Merkmal und anscheinend Lebensmotto des Japaners: Falle auf, aber sei nicht auffällig! Wie das geht? Ich erkläre es mal:
Das Phänomen, dass das weibliche Geschlecht sich gerne "aufhübscht" gibt es ja überall auf der Welt, da schließe ich mich selbst nicht aus. Der Homo Japanus, besonders natürlich des Typus Femininus lässt jedoch keine Gelegenheit aus, sich aufzuhübschen. Hohe Schuhe, Rüschenröckchen und falsche Wimpern sieht man hier nicht nur auf der Straße, nein, auch in der Uni läuft hier kaum ein Mädchen unaufgehübscht rum. Die vermeintlichen Alphamännchen zeigen hingegen gerne ihre nicht vorhandenen Muskeln durch ihr Muskelshirt. Und zu guter letzt gibt es die Unterart Homo Japanus Artus, die sich exzentrisch durch bunte Haare und mangaartige Klamotten kenntlich macht. Inwiefern sich das auf das Balzverhalten auswirkt, habe ich noch nicht untersuchen können, man munkelt, dass sich die Balzrituale häufig auf Gokons abspielt... :D 
Soweit zu "falle auf". Das heißt also, dass sie sich optisch sehr hervorheben und so gut wie niemand vorbeischauen kann, was ja offensichtlich Sinn und Zweck der Sache ist.
"sei nicht auffällig" zeigt sich hingegen mehr in der Interaktion. Ihr kennt ja alle Gruppenarbeiten, vor allem in künstlerischen Bereichen will man natürlich eigentlich am Ende (auch) seine Idee in der Arbeit sehen. 

Mein Studententag fängt schon ziemlich spät an, erst um 1 startet der 3-stündige praktische Teil des Tages (Den theoretischen Part kann ich ja vergessen, die Vorlesungen werden alle auf Japanisch gehalten, und wenn dann auch noch eine Prüfung hinterher ansteht... Huiuiui ^^). 3 Stunden hören sich erst mal viel an, aber die vergehen  im Gegensatz zu 3 Stunden Brandschutz hintereinander ziemlich schnell, da japanische Gruppenarbeiten ein wenig anders ablaufen...

Aufgeteilt auf mehrere Wochen haben wir einige Kuppeln nach vorgegeben Muster aus Papier gebastelt, die wir für das bevorstehende Uni-Fest erst verstehen sollten und jetzt in Raumgröße aus Wellpappe bauen sollen. Bevor es aber daran ging, wurden 3 Stunden, damit gefüllt, zu "diskutieren", wo Eingänge und Verbindungen zwischen den Kuppeln hinkommen sollten. Diese Diskussion (die ich nicht wirklich mitbekommen habe, nach 5 Sätzen habe ich es aufgegeben, zuzuhören) bestand aber vor allem darin, dass die Professoren erzählten, statt dass die Studenten irgendwas dazu sagten. Ähnlich lief dann auch der Tag ab, an dem wir endlich anfingen, aus Pappen die Dreiecke auszuschneiden. Dabei erklärte der Professor wieder eine halbe Stunde lang, bis sich dann alle Studenten gemeinsam um eine Pappe rotteten, um Linien aufzuzeichnen und endlich, nach einer Dreiviertelstunde bereits vergangenen Unterrichts, 4 Pappdreiecke von 60 ausgeschnitten waren. Als ich dann sah, dass meine japanischen Mitstudenten daran machen wollten, die nächste Pappe gemeinsam zu bearbeiteten, reichte es mir und ich fing an, alleine auf einer Pappe die Linien aufzuzeichnen, um sie den anderen zum Schneiden zu geben. Dabei wurde ich dann groß angeguckt, nach dem Motto "die hebt sich jetzt damit raus, indem sie was eigenes macht". 
Ehrlich gesagt beschreibt diese Geschichte sogar 2 Eigenschaften des Japaners. Einerseits kommen sie mir vor wie Lemminge, die alle gemeinsam sich von der Klippe stürzen, wenn es einige vormachen, um ja nicht anders zu sein. Dann beschreibt das den japanischen Arbeitsalltag, denn das Phänomen "der Chef erzählt, alle anderen zu, aber wir kommen trotzdem nicht zum Punkt" ist hier keine Seltenheit.

Ich möchte mich aber nicht an den merkwürdigen Eigenschaften einiger Japaner aufhalten, denn allgemein sind sie alle unglaublich herzlich und offen und wir Austauschstudenten wurden schon 2 mal zum Essen mitgenommen.
Zum Okonomiyaki-Essen führten uns und einige andere Studenten 2 Professoren unserer Grafikdesignerinnen. Dabei fühlte es sich sehr familiär an, was für mich persönlich zwar ungewöhnlich ist, aber für die japanischen Studenten, die auch bei Facebook Kontakt zu ihren Professoren halten anscheinend normal ist. Da wurde das wundervolle Essen während der Gespräche über unsere verschiedenen Kulturen fast schon zur Nebensache. Aber nur fast!
Mit meiner "Klasse" waren wir in einem Sushi vom Band-Restaurant, das vor allem für japanische Verhältnisse ziemlich günstig ist und wo ich mir für noch nicht mal 10 € den Bauch mit köstlichem Sushi vollschlagen konnte. Dem tat selbst das Natto, an das ich mich wagemutig getraut habe, keinen Abbruch. (Esst es bloß nicht! Geschmacklich würde ich es mit stinkigem Schweißfuß vergleichen. Ich hab keine Ahnung, was die Japaner daran finden...) Hier stellte ich übrigens auch fest, wieso die Mädels hier alle so dünn sind. Mein Tellerturm war am Ende doppelt so hoch wie der meiner japanischen Kommilitonin. Vielleicht sollte ich mein Essverhalten doch mal überdenken... :D

Ich bin jedenfalls weiterhin gespannt, was ich noch für lustige und spannende Sachen hier erleben werde!

Duong

Ein bisschen japanische Architektur.
Touristenattraktion.

Takoyaki.
Süße Omi, die ihre selbstgemachten Stofftierchen verkauft.
Selfmade-Okonomiyaki.
Sushi-Runde
Turm-Vergleich.
Ich komme hier nicht um kitschige Sonnenuntergangsbilder herum.
Weniger kitschig.
Kitschig hoch x. 
PS: Heute wurde die erste Kuppel fertiggestellt!